Merkmale des Shotokan – Stils
Der Shōtōkan-Stil ist die am weitesten verbreitete Stilrichtung im Karatedō. Charakteristisch für diese Stilrichtung ist ein tiefer und damit fester Stand, der hohe Stabilität und kraftvolle Bewegungen ermöglicht.
Ein weiteres Merkmal des Shōtōkan-Stils ist, dass jede Hand- und Fausttechnik mit einer Drehung um die Längsachse von Arm und Hand durchgeführt wird. Jede Shōtōkan-Technik kann entweder als eine Angriffstechnik oder als eine Verteidigungstechnik eingesetzt werden. Wendungen der Stände (jap. = mawari; Kommando: mawatte) werden im Gegensatz zum z.B. Guju-ryu oder Shito-ryu vom hinteren Fuß initiiert.
Shōtōkan-Techniken zielen, im Gegensatz zu oben genannten Stilen, auf die vertikale Körpermitte des Gegners, also die Linie vom Kinn über Solarplexus bis zu den Genitalien.
Etikette
Es gibt im Karatetraining eine hierarchische Unterscheidung: Neben dem Sensei, dem Lehrer, gibt es die Sempai und Kohai. Jedes Karatetraining beginnt und endet traditionell mit einer kurzen Meditation ( Mokuso ).
Dies soll auch den friedfertigen Zweck der Übungen zum Ausdruck bringen. Die kurze Meditation lässt auf die Tradition des Karate als Weglehre schließen, auch wenn das heutige Training nach modernen sportlichen Gesichtspunkten ( so z.B. als Fitness- oder Wettkampftraining ), und nicht als Übung des Weges ( im Sinne des klassischen Karate-Do) ausgerichtet ist.
Auch beginnt und endet jedes Karatetraining, jede Übung und jede Kata mit einem Gruß. Dadurch wird das erste Prinzip der 20 Regeln von Gichin Funakoshi ( s. Geschichte ) zum Ausdruck gebracht:
– Karate wa rei ni hajimari rei ni owaru ko
( Karate beginnt und endet mit Respekt ! )
Die herausragende Respekterweisung gegenüber dem Meister äußert sich mitunter in kurios anmutenden Regeln. So wird es etwa als unhöflich angesehen, hinter dem Rücken des Meisters zu gehen. Dies wurzelt keineswegs in der Vorstellung, hinterrücks angegriffen zu werden, sondern im Gedanken, dass ein Vorbei-Schleichen auf eine mangelhafte Lehrer-Schüler-Beziehung ( da mangelnde Würdigung ) schliessen lässt.
In vielen Dojos ist es üblich, vor Betreten und Verlassen der Halle die darin Versammelten mit einer kurzen Verbeugung zu begrüßen, eventuell wird auch der Shomen des Dojo mit einer weiteren kurzen Verbeugung beim Betreten und Verlassen gegrüßt. Danach wird gemeinsam eine rituelle Grußzeremonie ( Rei ) durchgeführt, in der sich Schüler und Meister voreinander und vor den alten Meistern und Vorfahren ( im Geiste, repräsentiert an der Stirnseite, dem Shomen des Dojo ) verneigen.
Graduierung
(die Gürtel und ihre Farben)
Die Graduierung durch farbige Gürtel wurde wahrscheinlich aus dem Judo übernommen.
Jigoro Kano, Gründer des Kodokan Judo, hat dieses System im 19. Jh. erstmalig verwendet. Vorher gab es kein Graduierungssystem nach Gürtelfarben in den Kampfkünsten aus Okinawa und Japan.
In Graduierungen wird zwischen den Schülergraden, den sogenannte „Kyu“ und den Meisterschülern, bzw. Meistergraden, den so genannten „Dan“ unterschieden.
Jeder dieser Stufen wird eine Gürtelfarbe zugeordnet.
In dem in Deutschland gebräuchlichsten Graduierungssystem existieren 9 Kyu- und 10 Dan-Grade. Der 9. Kyu ist hierbei die unterste Stufe, der 10. Dan die höchste.
9. Kyu (weiß), 8. Kyu (gelb), 7. Kyu (orange), 6. Kyu (grün), 5. Kyu (blau/violett*),
4. Kyu (blau / violett*), 3. Kyu (braun), 2. Kyu (braun), 1. Kyu (braun).
1. Dan, 2. Dan, 3. Dan… bis 10. Dan (schwarz).
* Blau und violett werden in verschiedenen Verbänden unterschiedlich genutzt. Einige Verbände grenzen einen violetten 4. Kyu vom blauen 5. Kyu ab, in anderen sind beide als blau oder beide als violett festgelegt, in wieder anderen Verbänden sind die beiden Farben beliebig austauschbar.
Zum Erlangen des nächsthöheren Schüler- bzw. Meistergrades werden Prüfungen nach einem festen Programm und einer Wartezeit, je nach Kyu- und Dan-Graden verschieden, abgelegt.
Die Programme der Prüfungen unterscheiden sich von Verband zu Verband, gelegentlich gibt es sogar Unterschiede in einzelnen Dojo.
Das Ablegen der Prüfungen dient als Ansporn und Bestätigung des Erreichten, ähnlich wie in unserem Schulsystem.
In den Prüfungen wird auf Technik, Ausführung, Haltung, Aufmerksamkeit, Kampfgeist, Konzentration und Willen geachtet.
Der Gesamteindruck entscheidet.
Bei höheren Meistergraden ( meist ab dem 5. Dan ) erhöht sich der theoretische Prüfungsanteil erheblich.
In einigen wenigen Organisationen werden diese Dangrade gar nur aufgrund besonderer Leistungen und Verdienste verliehen.
Geschichte
Funakoshi Gichin, geboren 1868 in Shuri auf Okinawa und ursprünglich als Hauptschullehrer tätig, wird heute als Begründer des Shōtōkan-Karate angesehen.
Sein Stil basiert auf Matsumuras Shorin-ryu. Shōtō war Funakoshis Künstlername und bedeutet Pinienrauschen.
Seine erste eigene Trainingshalle (im Frühjahr 1935 in Tokyo eingeweiht) wurde aus diesem Grund Shōtōkan („Haus des Shōtō“) genannt. Diese Bezeichnung wurde später für seinen Karate-Stil übernommen. Funakoshis Zielsetzung war:
– Schulung von Geist, Charakter und innerer Einstellung.
„Bevor du den Gegner besiegst, musst du dich selbst besiegen.“
„Man kann sehr sehr lange trainieren, aber wenn man immer nur Hände und Füße bewegt und wie eine Marionette umherspringt, dann ist Karate nicht anders als Tanzen lernen. Man wird die Hauptsache verfehlen. Es wird so nicht gelingen, die Quintessenz des Karate-do zu begreifen.“ – Funakoshi Gichin, J. Hyams (1979, 87)
Wichtig war ihm außerdem auch der Selbstverteidigungsaspekt des Karate. Von Funakoshi stammt die im heutigen Wettkampfkarate kaum mehr beachtete Maxime: „Im Karate gibt es keine erste Hand.“ (D.h. ein Karateka soll niemals, auch nicht präventiv, zuerst angreifen.)
Funakoshis dritter Sohn Yoshitaka Giko entwickelte 1938–1945 als Hauptlehrer im Shōtōkan-Dōjō tiefere und längere Stellungen und ab 1943 Gohon-Kumite, Sanbon-Kumite und Ippon-Kumite. Insgesamt ein dynamischerer und kämpferischerer Stil. Außerdem den Mawashi-Geri, Yoko-Kekomi, Yoko-Keage, Ura-Mawashi-Geri und Fumi-Komi. Kase Taiji Sensei entwickelte zeitgleich als Schüler Yoshitakas den Ushiro-Geri und den Kaiten-Geri. Kaiten (jap.:“Rückkehr in den Himmel“)
Professor Nakayama Masatoshi (1913–1987), Schüler von Gichin Funakoshi, studierte 1937–1946 unter anderem in China Kampfkünste. Er gründete 1949 an der Takushoku-Dai Universität mit Nishiyama und Takagi die Japan Karate Association (Nihon Karate Kyōkai).
Nakayama entwickelte das Jiyu-Kumite, welches später die Grundlage für den Wettkampf im Shōtōkan-Karate darstellte. Die spezielle Form des Kumite ermöglichte eine realistischere Kampfsimulation und eine gute Grundlage für die strategische Analyse, die auch zur Verbesserung der Selbsteinschätzung führte. Die korrekte Ausführung der Techniken wurde durch die Schiedsrichter kontrolliert.
Nach dem Krieg war Nakayama Direktor der sportwissenschaftlichen Fakultät der Takushoku-Universität in Tokyo. So kam es erstmals zu einer wissenschaftlichen Aufarbeitung des Karate. Standardwerke wie das reich bebilderte „Dynamic Karate“ und die mehrbändige Buchserie „Karate-Perfekt“ entstanden. Außerdem fand eine sportwissenschaftliche Zusammenarbeit mit Okazaki Teruyuki (* 1931) damals in der JKA, an der Universität von Long Island in New York statt.
Wettkampfregeln wurden schließlich im Jahr 1951 an der Waseda-Universität mit Oshima entwickelt.
Quelle: wikipedia